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Schon zu Zeiten des damaligen Progymnasiums galt: Jungen- und Mädchenklasse strikt getrennt. Auch die Aufnahmeprüfung lief nach diesem Muster ab. Jungen durften (und mussten) mit "Latein" anfangen, die Mädchen nur mit "Englisch" anfangen.

Ein erster Schultag (Schuljahresbeginn) begann mit einer Stunde zum kennenlernen:
Beispiel: Ein schon pensionierter Lateinlehrer (Oberstudienrat im Ruhestand) betrat den Raum. Ein knappes: "Auf! Guten Morgen! Eure Personalien!" Danach: "Heft raus!" Wir lernen heute ein neues Lied, schreibt auf:
(1) Flamme empor, Flamme empor! Steige mit loderndem Schein von den Gebirgen am Rheine, leuchtend empor."
(2) Heilige Glut, heilige Glut, rufe die Jugend zusammen, dass bei den lodernden Flammen wachse der Mut..."

Das Lied wurde sofort gesungen und noch in gleicher Stunde auswendig aufgerufen.

Ein neues Lied: Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt, komm mit deinem Scheine, süßes Engelsbild, magst du nie dich zeigen der bedrängten Welt, führest deinen Reigen nur am Sternenzelt.


Diese seltsame Kombination wurde den Schülern erst einige Jahre später erklärlich. Besagter Pädagoge war durch die Entnazifizierung gekommen. Denn sonst wäre er wohl nicht wieder als Oberstudienrat in Ruhe aufgetreten (Oberstudienrat war damals übrigens nur der stellvertretende Schulleiter).

Besagter Latein- und Griechischlehrer war immer feinstens gekleidet. Im Revers des Jackets trug er, wann immer es ging, eine Blume. Der graue Filzhut gab ihm eine eigene Note. Eine schöne und heitere Begebenheit trug sich im neuen Gebäude zu: Besagter Altphilologe begrüßte eine Kollegin, wann immer möglich, mit Handkuss. Schüler (Untersekunda) sahen das und waren ganz gespannt. Als O. N. den Raum zum Lateinunterricht betrat, rief er sein obligatorisches "Salvete pueri!" Ihm schallte entgegen: "Küss die Hand, Madame!" Kein Kommentar, aber die "Rache" kam bei der nächsten Arbeit (Notendurchschnitt 4,7).