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Man schrieb das Jahr 1954. Die Klasse Quarta residierte ab Ostern 1954 in der damaligen Wilhelmschule in einem Raum unter dem Dach. Die Neubau - Fortschritte zogen sich (letztlich bis Mai 1955), aber ihre Schatten kamen schon herauf. Die Klassen wurden regelrecht durchkämmt nach Schülern, die im Schulchor zu den Feierlichkeiten auftreten sollten. In der damaligen U III waren 14 Jungen von 32 geeignet.

Nun ereignete sich folgendes:

Die Chorsänger mussten zu dauernden Proben antreten, alle anderen durften einen Wandertag machen. Natürlich war das ungerecht. Also verfassten wir eine Protestresolution und zogen vom Wilhelmplatz über die Gartenstrasse, Kölkers Pättken, Windhorststrasse und Barkenstrasse bis zur Wohnung des Musiklehrers. Unter lautem Geschrei wurde die Protestnote übergeben. Zufrieden gingen wir dann nach Hause.

Hinter den Scheiben aber hatte sich Musiklehrer Julius Blaschke die Namen der Demonstranten aufgeschrieben, ohne dass wir das bemerkt hatten.

Am nächsten Morgen passierte zunächst garnichts. Nach der großen Pause ging die Tür auf. Herr Direktor trat mit dem Hausmeister ein, unser Englischlehrer durfte am Pult Platz nehmen. Herr Direktor, wie immer im dunkelblauen Anzug und leicht silberner Krawatte, übergab feierlich dem Hausmeister seine Ringe (Schmuckringe), die dieser während der nun folgenden Aktion in den ausgestreckten Händen hielt. Es begann mit einer großen Predigt mit dem unvergesslichen Satz: "Wir sind doch keine Klippschule". Die Ansprache mag etwa zehn Minuten gedauert haben.

Danach rief der Direktor die Demonstranten mit Namen auf. Alle mussten sich in einer Reihe aufstellen und jeder bekam vier "Streicheleinheiten" in verschiedenen Versionen: manchmal zuerst zwei rechts, dann zwei links, beim nächsten drei rechts und eine links, links-rechts abwechselnd oder auch zuerst zwei links und dann zwei rechts. So wusste keiner, wie es bei ihm einschlägt, damit nur niemand den Kopf wegziehen konnte.

Nach getaner "Arbeit" verließ die Abordnung den Raum, nachdem der Schweiß abgeputzt war und der Hausmeister feierlich den Handschmuck zurück gereicht hatte. Man entschwand wortlos. Am übernächsten Tag war der Anführer der Demonstranten nicht mehr da. Man erfuhr, dass er die Schule in Richtung Lohburg verlassen hatte. Aus ihm ist später ein Oberstudiendirektor geworden.

Der Satz "Wir sind doch keine Klippschule" hat in unseren Kreisen heute noch einen tollen, ermunternden Klang.

 

Erinnerungen von Ludger Hidding, Abi Jahrgang 1960